Das große SV-Interview und die knifflige Stuhl-Frage

Ein Interview von Lillian Wanke (S4) und Celia Blaase (S2)

Über den Roten Platz des Gymnasiums Othmarschen spannt sich an diesem klirrend kalten Novembertag ein stahlblauer Himmel: Wir treffen die SV-Repräsentant*innen zum Interview – vier Schüler*innen aus dem ersten Semester und der siebten Klasse: Lina Dugas (7e), Ben Karsten, (7e), Erik Bredlow (AbiBac, S2), Hannah Zimmermann (Exe, S2). Sie bieten uns Bonbons an; wobei sie augenzwinkernd mitteilen, dies sei ein Bestechungsversuch. Nachdem wir uns an einem Tisch im Foyer zusammenfinden und auf die bequemen Stühle niederlassen, deren Marktwert (neu) bei etwa 45 EUR liegt, betonen wir, dass dies sei ein sachliches Interview sei – aber nicht ohne vorher die Bonbons aufzuteilen. Wir fangen mit den Grundlagen an, um eine positive Stimmung zu verbreiten.

GO-Public: Wie ist die SV GO-Innovation entstanden?

Erik: Wir kannten uns schon von der SR-Reise. Die Zimmer von Tassia, Lilja, Hannah und mir lagen nebeneinander und so wie das eben ist mit den Balkons, haben wir abends immer gequatscht. Josy, Tassia und Lilja waren gemeinsam in der vorherigen SV und bilden die Erfahrungsebene.

Hannah: Man könnte sagen, dass durch schulische oder freundschaftliche Verbindungen die Gruppe organisch und mit Dynamik entstanden ist.

Erik: Die Brücken wurden schnell geschlagen.

GO-Public: Da die SV als Repräsentanten des GOs und seiner Schüler fungiert: Was zeichnet denn das GO als Schule aus?

Erik: Vor allem die weitgefächerten Themengebiete wie Umwelt, Musixx, Sport und die gute Vernetzung zu den umliegenden Schulen sind typisch fürs GO. Auch der mittlerweile etwas verkümmerte Französischzweig lockt die Leute an.

Lina: Genau! Ben und ich hatten auch viel Gutes von der Schule gehört, bevor wir gekommen sind. Das hat sich alles bewahrheitet und wir fühlen uns gut aufgehoben.

Go-Public: Warum wurdet ihr gewählt?

Erik: Wir haben durch nur zwölf Stimmen Vorsprung gewonnen, es war also ein Kopf- an-Kopf-Rennen.

Lina: Ich meine, dass wir durch persönliche Empathie gewonnen haben. Außerdem hatten die anderen SVs unrealistische Ideen, das hat die Schüler abgeschreckt.

Hannah: Wir haben einfach mehr umsetzbare Punkte und natürlich bekamen wir einen Vertrauensvorschuss, da wir Mitglieder der letzten SV im Team haben.

GO-Public: Was wollt ihr besser machen, als eure Vorgänger? Die Frage haben wir mit einem provozierenden Unterton belegt.

Hannah: Die alte SV hatte viele Vorhaben, die sie nicht umsetzten konnten, was natürlich für die Schüler enttäuschend war. Wir wollen, so gut es geht, alle unserer Versprechen umsetzten.

Erik: Ich wollte heute vielleicht noch den Kummerkasten besorgen, damit wir die Rückmeldung der Schüler direkt empfangen können.

Hannah: Doch findet ein Großteil der Arbeit hinter den Kulissen statt und wird daher nicht wahrgenommen. Wenn wir mit mehr Transparenz arbeiten, so wird die Schülerschaft auch unsere Erfolge mitbekommen.

GO-Public: Da wir uns das umfangreiche Wahlprogramm im Voraus angeschaut haben, wollen wir natürlich wissen, auf welchem der Wahlversprechen das Augenmerk liegt. Denn bei so vielen Unterpunkten ist es schwer, den Überblick zu behalten.

Erik: Die wohltätigen Projekte liegen uns besonders am Herzen. Wir planen Weihnachten im Schuhkarton bereits und reden mit der Arche.

Hannah: Ebenfalls priorisieren wir Projekte, die die Schüler involvieren. Eine Talentshow für die Unterstufe ist bereits in Planung, die könnte man auch auf die gesamte Schule erweitern.

Erik: Ich persönlich bin verantwortlich für den Kummerkasten, das ist ein Projekt, welches mir sehr am Herzen liegt.

GO-Public: Wie ihr eben schon erwähnt habt, ist Umweltschutz ein wichtiger Punkt für euch. Wie läuft eure Zusammenarbeit mit der GetGreen-AG?

Erik: Die Kommunikation untereinander funktioniert sehr gut, vor allem da Hannah selbst ein Teil der AG ist. Sie ist für den Austausch zuständig.

Go-Public: Eure Ziele klingen überwiegend realistisch und machbar, trotzdem fragen wir uns, wie sie umgesetzt werden sollen – in finanzieller wie organisatorischer Sicht.

Hannah: Jeder hat sein eigenes Projekt, dass sie oder er organisiert. Erik hat den Kummerkasten, Tassia die Talentshow, Lilja ist generell für Soziales zuständig und Josy und ich haben die Umweltthemen. Josy ist außerdem für den Erste-Hilfe-Kurs verantwortlich.

Lina: Das sind natürlich nur einige unserer Verantwortungen, wir treffen uns jeden Donnerstag mit der Schulleitung und besprechen, wie die Ziele der SV nicht die der Schule behindern oder einschränken. Finanzierung wird besprochen, Umsetzung usw.

GO-Public: Manche eurer Ziele sind aus rechtlicher Sicht gar nicht umzusetzen. Nehmen wir die gemeinsamen Ausflüge zu den FFF-Demos. Es ist den Lehrern nicht erlaubt, das Schwänzen vom Unterricht zu legitimieren. Unsere Gegenüber sind verdutzt, sie waren sich sicher, dass dies kein Problem darstellen würde.

Ben: Andere Schulen sind doch auch gemeinsam gegangen?

Go-Public: Doch aus versicherungstechnischen Gründen ist dies nicht möglich. Außerdem dürfen Lehrer nicht die Schule bestreiken.
Ein kurzes und leicht betretenes Schweigen erfüllt die Runde, doch dann kommt die Frage auf, auf die alle gewartet haben:

„Welche Stühle?“

Nein, liebe Leserschaft, nicht die Stühle, auf denen wir sitzen, nicht die Frage danach, welcher Stuhl im Lehrerzimmer der Bequemste ist oder welcher Stuhl in den Klassenräumen am meisten Gewicht aushält, um den Beamer zu erreichen.

GO-Public: Ihr habt in eurem Wahlprogramm aufgenommen, dass ihr die Stühle in der Schule ersetzen wollt. Wir fanden dies außergewöhnlich interessant und mit nur wenigen Klicks bei Google haben wir eine rudimentäre Vorstellung davon bekommen, was ein Ersatz der Stühle am GO kosten würde. Ein typischer Schulstuhl liegt bei circa 50 €, da wir ungefähr 1000 Schüler sind, macht das ungefähr 50.000 €. Eine Finanzierung dafür wäre unmöglich, also wollen wir wissen, was die Pläne der SV sind.

Erik: Wir halten die aktuellen Stühle für nicht perfekt. Eine gute Haltung auf einer qualitativ hohen Sitzgelegenheit beeinflusst das Lernen positiv und mit den aktuellen Stühlen ist das einfach nicht gegeben.

Hannah: Dies ist ebenfalls eines der Projekte von Frau Hutmacher. Wir haben pro Schüler nur 1-2 € zur Verfügung, plus was die vorherige SV nicht ausgegeben hat. Uns ist klar, dass wir die Finanzierung nicht alleine stemmen können.

GO-Public: Auf eurer Agenda steht auch die Förderung von Künstlern und der Kunst. Was ist damit genau gemeint? Auf welche Projekte und Künstler bezieht ihr euch?

Hannah: Wir meinen damit Projekte wie die Talentshow, in der sich die jungen Künstler aus unseren Reihen beweisen können. Aber auch die weitere Zusammenarbeit mit Musixx und dem Monsun Theater. Wir möchten, dass die Schüler involviert sind und ihre Kunst einem größeren Publikum zeigen können.

Go-Public: Die Digitalisierung zu fördern war ebenfalls ein Punkt auf dem Wahlprogramm.

Erik: Es wurden neue Beamer bestellt, MacBooks und iPads inklusive Apple Pen. Diese wurden an die Lehrerschaft verteilt.

GO-Public: Während unserer Recherche fiel uns auf, dass die Medienpräsenz der Hochrad-SV sehr viel transparenter und aktiver ist als die GO-Innovation.

Erik: ProjectProgressive dient uns auch als Vorbild, vor allem, da wir mit ihnen zusammenarbeiten und daher eh im Kontakt stehen. Alle Mitglieder der GO-Innovation haben Zugang zu ihren Instagram-Account und können von dort aus posten. Auch planen wir unseren eigenen Bereich auf der Schulwebsite zu bekommen.

Hannah: Wir wollen den Schülern nochmal ans Herz legen, dass die SV für euch immer erreichbar ist, auf Instagram aber auch auf IServ unter sv@gymoth.de. Also habt keine Scheu, uns zu kontaktieren. Wir freuen uns auf euer Feedback.

Mit diesen Worten beenden wir das Interview und verabschieden uns voneinander. Der Kummerkasten fehlt bis heute noch, doch hat die SV viel mit dem Abschied von Frau Hutmacher und Corona zu tun.

Ben Karsten, 7e, hat gute Ideen und fühlt sich in der SV gut aufgenommen.

Erik Bredlow, S2, Hauptredner und Stimmungsmacher der Interview-Gruppe

Hannah Zimmermann, S2, möchte Menschen helfen und ist der Kontakt zur GetGreen AG.

Lina Dugas, 7e, war hilfsbereite Klassensprecherin in der 6. Klasse


Mysterium H.

Ein Kommentar von Liv Portner (10b)

Frau H. trat als letzte Rettung das Amt der Schulleiterin an. Nach Monaten der verzweifelten Suche nach einer geeigneten Besetzung für das Amt konnte H. die schulischen Gremien von sich überzeugen, trat die Stelle an und war bald wieder weg. Zeit, sie kennenzulernen, hatten wir nicht.

Den Schülervertreter:innen begegnete sie erstmals im vergangenen Winter bei ihrer Vorstellung in der P-Aula. Sie wurde von der Mehrheit der Vertreter:innen gewählt. Auch das Lehrerkollegium konnte sie für sich gewinnen. Im Februar des vergangenen Jahres wurde sie dann offiziell unsere neue Schulleiterin.

Dann passierte jedoch etwas sehr Gravierendes: Ein neuartiges Virus mit einem seltsamen Namen breitete sich immer weiter im Land aus. Bald konnte die Bedrohung durch Corona nicht mehr ignoriert werden. Im März stand fest: Die Schüler:innen würden so bald nicht in die Schule zurückkehren. Frau H. hatte gleich zu Beginn die Aufgabe, in dieser Situation zu vermitteln. Eine lange, erklärende E-Mail per IServ folgte der nächsten. Es galt, hysterische Eltern zu beruhigen und den Jugendlichen Halt zu geben.

Uns wurde bewusst, wir würden unsere neue Schulleiterin so schnell nicht richtig kennenlernen. Ich, als Klassensprecherin, hatte das Glück, sie schon zu Beginn ihrer Amtszeit zu treffen. Doch auch meine Vorstellungen ihres Gesichtes verschwammen immer mehr in ihren virtuellen Worten. Viele meiner Mitschüler:innen hatten Frau H. bis zu Beginn des ersten Shutdowns nicht ein einziges Mal zu Gesicht bekommen.

Während dieses ersten Lockdowns hatten wir alle Probleme, mit der neuen Situation zurechtzukommen. Die Schule wurde von der Schulbehörde dazu verpflichtet, allen Unterricht aufrechtzuerhalten und trotz der Umstände zu stemmen. Die Schulleitung hatte allerhand damit zu tun, die neuen Regelungen in die Tat umzusetzen. Als die Zahlen im Mai wieder etwas sanken, wurden die Schulen zumindest teilweise wieder geöffnet. Dadurch konnte ein Stück Normalität zurückgewonnen werden, obwohl sich unsere Definition des Begriffes „Normalität“ wohl in dieser Zeit deutlich verschoben hatte. Wessen körperliche Präsenz jedoch ausblieb, war die von Frau H. Auch wenn wir im Hybridunterricht nur für eine kurze Zeit in der Schule waren, trafen wir H. kein einziges Mal auf dem Schulhof. Die kurze Phase des Unterrichts wurde erneut von den Sommerferien durchschnitten.

Danach sollte die Schule wieder richtig losgehen! Mit Abstand. Und Vorsicht. Und Masken. Ohne Cafeteria und Veranstaltungen. Ab da begann die „normalste“ Zeit mit Frau H. am GO: Zweifelsohne geschah Vieles: Handyverbot, Fahrradschulen-Wettbewerb, Feueralarm, Hygiene-Maßnahmen. An Aufregungen mangelte es nicht. Die Schüler:innen sahen sie nun zum ersten Mal, doch es blieb bei ein paar eiligen Blicken auf dem Schulhof. Selbstverständlich waren die Möglichkeiten der Interaktion sehr beschränkt; diese soll sich möglichst nur auf die eigene Klasse und Lehrer:innen beschränken. Den engsten Kontakt zu ihren Schüler:innen hielt sie, abgesehen von Mails via IServ, über den neu eingeführten Cafeteria-Wagen. Stets ist sie dabei, wenn sich die Schüler:innen gierig auf eine neue Ladung von Franzbrötchen stürzen. Gewiss kein schöner Anblick. Zu dieser Zeit versuchen wir, die Schülerzeitung, Kontakt mit ihr aufzunehmen, um ein Interview zu führen. Wir sprechen sie auf einem ihrer Streifzüge mit dem Cafeteria-Wagen an, um einen Termin zu vereinbaren. Sie will wissen, wann unsere Ausgabe erscheinen wird, doch diese Frage können wir ihr zu der Zeit noch nicht beantworten. Wir schreiben einige Male hin und her. Der Kontakt verliert sich wieder etwas. Klausuren und Schulstress sorgen vermutlich auf beiden Seiten für einen vorübergehenden Kontaktabbruch.

Die Corona-Zahlen steigen mit zunehmender Kälte. Auch hier macht sich Frau H. immer wieder die Mühe, alle zu beruhigen und sachlich zu informieren. Anfang September erreicht die Schüler:innen eine überraschende Nachricht: Frau H. erklärt, dass sie uns zum 1. Februar verlassen wird. Erneut versuchen wir Kontakt mit ihr aufzunehmen.

Wer ist diese Frau, die uns nun nach nur einem Jahr so überraschend verlässt?

Als die Fallzahlen erneut auf ein beunruhigendes Niveau steigen, wird die Bundesregierung zum Handeln gezwungen. Die Schulleitung hat sich nun mit einer abenteuerlichen Regelung der Schulschließung herumzuschlagen – der Präsenz-Unterricht wurde kurzerhand aufgehoben. H.s Aufgabe bleibt von Corona-Verordnungen geprägt. Als wir sie um einen virtuellen Interview-Termin bitten, erklärt sie sich dazu bereit, unsere Fragen zu beantworten. Unvorhergesehen kam dann eine Nachricht, in der sie uns mitteilte, dass sie das Interview nun doch nicht mit uns führen wird. Sie wolle einen sauberen Schlussstrich ziehen. Den zieht sie auch mit einer letzten verständnisvollen und empathischen Mail, in der sie sich ausgiebig bei der Schule bedankt. Die „Ära H.“ wird also weiter für die meisten Schüler:innen die „Ära Corona“ bleiben. Schade, wir hätten Sie gerne besser kennen gelernt.


Retro is back!

Warum wir wieder zurück in die Vergangenheit wollen

Ein Essay von Laura Bachmann (10b)

Die Schallplatte ist seit einigen Jahren wieder voll im Trend. Nicht nur als schicke Wanddekoration, sondern auch als Alternative zu flüchtigen Streamingdiensten wie Spotify. Auch andere Alltagsgegenstände lassen sich leicht durch schöne Objekte längst vergangener Zeiten ersetzen. Laura Bachmann erklärt, warum wir das auch unbedingt tun sollten.

Ächzend erhebt sich der Arm von seinem Sockel und beschreibt einen Kreis. Mit einem Knarzen setzt er auf und beginnt seine Arbeit. Trotz etlicher Hügel und ganzer Berge, die er überqueren muss, trotz der Weite des Wegs entlockt er einem seltsamen Apparat Töne. Worum es geht? Die Rede ist von einem Plattenspieler und von seinem Tonarm, der sich auf die Reise begibt, um uns mit seiner Musik zu fesseln.

Vinylplatten werden seit einiger Zeit wieder beliebt. Seit Mitte der 1990er finden immer mehr Menschen, dass Schallplatten etwas Schönes und Besonderes sind. Und: man sie kaufen sollte. Schließlich ist man schon seit den 1980er Jahren mit der Erfindung beziehungsweise Popularität der CD nicht mehr von Schallplatten abhängig. Im Gegenteil. Anfangs verschmähte man die gute alte Platte als altmodisch und vollkommen überholt, um sich mit großem Eifer erst den CD-Playern, dann dem Streaming-Diensten auf Handy oder MP3-Player zu widmen. Aber warum wird die Schallplatte jetzt wieder so beliebt? Nicht nur, weil sie schön aussieht, wenn man sie an die Wand hängt. Nein, es gibt Unterschiede zu unserem gewohnten Musikkonsum: Streamingdienste hört man nebenbei, Platten lauscht man. Tatsächlich sind viele Besitzer von Plattenspielern der Auffassung, dass das Wichtigste an Schallplatten die Beziehung zu ihnen sei.

Einer Platte zuzusehen, wie sie rotiert, und gleichzeitig Lieder aus qualitativ hochwertigen Kopfhörern oder Lautsprechern zu hören, ist etwas Besonderes. Denn das kommt dazu: Wer sich schon einen Plattenspieler anschafft, kauft sich häufig auch noch eine bessere Ausrüstung. Lohnt sich ja sonst nicht! Wichtig ist auch, dass solche Platten von viel höherer Beständigkeit sind als Streamingdienste, bei denen man nach der Abmeldung gar nichts mehr hat. Die Platten, der Plattenspieler, die Lautsprecher lassen sich ein Leben lang weiterverwenden. Kopfhörer oder Lautsprecher lassen sich häufig sogar mit den altbekannten Streamingdiensten verbinden, falls man sich doch auch mal für ein wenig gestreamte Musik entscheidet. Die eigenen Schallplatten, zu denen man vielleicht sogar noch eine Geschichte erzählen kann, halten länger und gehören (zu) einem.

Neben Platten gibt es noch deutlich mehr „alte“ und „überholte“ Gegenstände, die nicht nur eine wundervolle Dekoration darstellen, sondern auch eine interessante Alternative zu unserem allzu technischen und computerüberlasteten Alltag sind.

Unsere Redakteurin liest nur auf Papier: Liv Portner bei der Lektüre
Bild © Laura Bachmann

Zum Beispiel Kleidung. Auch ältere oder zumindest etwas höherwertige Kleidung hält länger und sieht auch besser aus. Selbst eine schmuddelige Hose kann zum Lieblingsstück werden, wenn man dazu eine Geschichte zu erzählen hat – und sie einem womöglich schon einige Jahre gehört. Eine (geerbte) Garderobe aus dem vorigen Jahrhundert ist fast immer von viel längerer Haltbarkeit als die Billigkleidung, die wir heute aus Ländern wie Bangladesch importieren, wo zu allem Überfluss zu menschenunwürdigen Bedingungen gearbeitet wird. Generell sind Erbstücke und Secondhand-Kleidung eine wirklich feine Sache, da sie nicht nur günstiger oder sogar umsonst, sondern auch noch gut für die Umwelt sind.

Ähnliches gilt für Bücher und Zeitschriften, die viele nur noch digital lesen. Denn es ist ein ganz besonderes Gefühl, eine Seite umzublättern. Am Ende einer Seite angekommen, lockt die Verheißung auf die Fortsetzung der Lektüre auf der nächsten Seite. Und das alles wird von einem verheißungsvollen Rascheln untermalt. Aufklappen und Zuklappen sind wie Begrüßung und Abschied und das einladende Cover komplettiert diesen „Besuch“ in der Welt des Buches.

Jedes Buch ist etwas Besonderes, Einzigartiges, das sich deutlich von jedem anderen Buch abhebt. Besondere Cover, Schriften und Layout machen das Buch erst zu dem Gesamtkunstwerk, das es ist. Auf dem E-Book hingegen verschwimmen die Grenzen zwischen den verschiedenen Büchern. Die Größe der Buchstaben wird angepasst, die Schrift vereinheitlicht und das Cover verdeckt. Tatsächlich kann man unter diesen Umständen viele Bücher miteinander verwechseln. Der Titel wird vergessen und der Inhalt mit dem anderer Bücher vermischt. Oder sogar vergessen. Meiner Erfahrung nach kann man sich auf Papier Gelesenes viel besser merken als Digitales. Und auch die Umwelt freut sich über ein Elektrogerät weniger. Dass dieser Artikel online erscheinen wird, ist wohl die viel genannte Ironie des Schicksals.

Abgesehen davon ist die Faszination eines Musikstückes auch ungleich größer, wenn man erst eine Platte auflegen muss, du den Startknopf bestätigst, die Platte sich zu drehen beginnt, zum Auftakt ein Knarzen erklingt und dann die Musik erschallt – und den ganzen Raum erfüllt.

Die Bedeutung eines Kleidungsstückes wird größer, wenn du dir die Bluse oder das Hemd über den Kopf ziehst, von der oder dem du weißt, dass schon deine Großmutter oder dein Großvater sie vor vielen Jahren trugen, und dessen Geschichtsträchtigkeit du spüren kannst, wenn du über den schweren, kühlen Stoff streichst.

Das Lesen wird intensiver, wenn du das Buch aufschlägst, die Seiten rascheln und die Buchstaben Vorfreude wecken und du dich in die Geschichte vertiefst und immer tiefer eintauchst und du schließlich in die Untiefen und Vielschichtigkeit der Handlung vordringst.


Kurzportrait: Josephine Teegen

Ein Porträt von Laura Bachmann (10b)

In loser Folge stellen wir euch Lehrer:innen vor, die neu an unserer Schule sind. Diesmal: Josephine Teegen. Sie unterrichtet seit August 2020 Sport und Mathematik am GO.

GO Public trifft Josephine Teegen an der frischen Luft – mit Maske und Abstand. Normalerweise träfe man sich bei kühlen Temperaturen ja drinnen, in der Cafeteria oder in Foyer. In dieser besonderen Situation jedoch ist alles anders. Auch Frau Teegen selbst sehen wir, wie jedes menschliche Lebewesen momentan, nur zur Hälfte. Sie unterrichtet Mathematik und Sport und ist gerade erst mit ihrem Referendariat fertig. Die Maske versteckt fast jedwede Regung im Gesicht.

Dennoch können wir immerhin feststellen, wie begeistert die junge, blonde Frau von ihrer Beschäftigung am GO ist.

Sie freut sich sehr, dass ihre erste „richtige“ Schule das GO ist. Als Lehrerin kann sie viel mit anderen Menschen zusammen sein. Außerdem gefallen ihr ihre Fächer sehr gut und auf diese Weise kann sie „diese Freude weitergeben“. Schon als Schülerin hatte sie diesen Berufswunsch. Und Sport hat sie schon immer angesprochen. Insbesondere Hockey, auch ein Fokus an unserer Schule, spiele sie schon lange und wolle sie „euch“, den Schülerinnen und Schülern, nahebringen. Sie liebt die Freude am Bewegen, die viele Schülerinnen und Schüler an den Tag legen.

Als wir das Interview führen, ist Sport in Corona-Zeiten ein großes Thema. Zu dem Zeitpunkt war gerade die Maskenpflicht auch im Unterricht eingeführt worden und das große Orakeln über eine weitere Schulschließung begann. Daher sprachen wir recht viel über Sport „in diesen Tagen“. Frau Teegen sagte dazu, dass sie „Einzelsport“ nur halb so schön finde wie „normalen Sport“. Um das Maskentragen zu umgehen, versucht sie verstärkt Sportarten wie Frisbee in den Unterricht einzubauen. Dennoch gehöre viel mehr Planung und Stress dazu als sonst. Videokonferenzen findet sie zwar sinnvoll, nutzt sie jedoch lieber mit ihren Freund*innen aus ihrer Heimatstadt, um nicht ständig den weiten Weg auf sich nehmen zu müssen, als ihre Schülerinnen und Schüler von zu Hause zu unterrichten. Stattdessen wünscht sie sich, möglichst bald wieder „normalen“ Unterricht machen zu können.


Alles gut!

Dieser Poetry-Slam-Text wirft den pessimistischen Blick einer müden Poetin auf die Welt, in der wir alle zusammen leben und in der ständig behauptet wird, alles sei gut.

Hey du! Hörst du überhaupt zu?

Ja, alles gut.

Alles gut. Was soll ich denn auch anderes sagen, zu diesem Freund, den ich aus Mangel an Vertrauen, nur so gut kenne, wie die Personen am Nebentisch?

Ja, alles gut.

Ich bin eine weitere ungehörte Stimme unter Stummen.

Die extremen Ansprüche, die ich an mich habe, zwingen mich selbst und alles, was ich mache, als Nichts anzusehen. So zeigt mir nur jeder Blick in den Spiegel, all die Sachen, die ich nicht bin. Dabei will ich in dieser viel zu schnellen Welt nur einen Moment der Ruhe, in dem ich meine Gedanken ordnen kann. Ich will meine Gedanken auf Papier bringen und mit der Welt teilen, ich will endlich ehrlich behaupten: Alles gut, ich habe es geschafft, wieder Freude im Leben zu spüren.

Doch das schaffe ich nur, wenn ich aus meinen Zwängen ausbreche, in den Spiegel lachen kann, um dir zu sagen: Ey Mann, alles gut! Wie geht es dir so?

Im ständigen Wechsel der Zeit sind wir uns so fremd, wie man ein Jeder für sich selbst, auf der Suche nach Identität.

Sieh mir bitte in die Augen, während du mir erklärst, wie gut es im Leben läuft, denn mit dem Blick nach Außen, siehst du die Welt brennen.

Krieg, Willkür und Korruption beherrschen, den sich erwärmenden Planeten und selbst in den sicheren Ländern rebellieren die Menschen, aus Verzweiflung.

Menschen mit dunkler Haut zählen wohl nicht und Gleichberechtigung schränkt dir deine Privilegien ein?

Da kannst du froh sein, im stabilen Deutschland zu leben, ohne Furcht, getötet zu werden, weil du als die Person geboren wurdest, die du bist. Ignorier einfach die junge Frau, die vorbei an brennenden Flüchtlingslagern und dunklen Gassen huscht, mit dem Haustürschlüssel in der geballten Faust, da man ihr beibrachte, nicht vergewaltigt zu werden, und die niemand lehrte, nicht zu vergewaltigen. Das ist aber auch egal, denn bei diesem kurzen Kleid, verliert ein Nein schnell seine Bedeutung.

Der Mann dort auf der Bank wird sie eh nicht sehen, er ist zu sehr mit Weinen beschäftigt. Er wird von seiner Frau misshandelt, doch damit an die Öffentlichkeit gehen kann er nicht, es wäre unmännlich.

Unmenschlich. Gleiche Rechte für alle, nehmen dir nichts weg, sie sorgen nur dafür, dass alle die gleiche Chance auf Leben haben.

Da kann man über das über Pfefferspray, das ich fest umklammere, schon hinwegsehen, wenn ich abends auf dem Weg nach Hause bin.

Sieh mir in die Augen, während du alles ist gut lügst.

Doch bitte sieh über meine Augenringe hinweg, ich schaffe es nachts nicht, alleine mit meinen Gedanken zu sein, und muss mich daher durchgehend beschallen.

Depressionen werden immer noch nicht ernst genommen und alles ist beschissen zu sagen, gilt als unhöflich.

Der ständige Zwang, ein perfekt funktionierender Mensch zu sein, zwingt uns in einen Panzer aus beschönigenden Worten und strahlenden Magazin-Cover-Lächeln, die so unrealistisch sind, dass Kinder sich den Finger in Hals stecken, um noch mehr wie das bearbeitete Bild ihres Vorbildes zu sein.

Wenn ich dir all das sagen würde, wärst du verstört, würdest du mich wohl eine Pessimistin nennen. Meine Welt ist leider pessimistisch und die Wahrheit tut manchmal weh.

Doch das ist die Welt, die in dieser Zeit nicht mit Offenheit dienen kann. Nach außen eine Gesellschaft, die so eng beieinander ist wie noch nie zuvor, und doch sind wir einsam und verschlossen – jeder mit seinem Sorgenbündel für sich.

Aber danke der Nachfrage, bei mir ist alles gut, wie bei dir auch und jetzt lass uns vergessen.