Shame on you

Wenn das Wort Scham fällt, dann überkommt einen oft ein ungutes Gefühl, eine bestimmte Enge in der Brust oder ein dumpfes Gefühl im Bauch, wenn wir uns möglicherweise an einen Moment zurückerinnern, der jenes Gefühl ausgelöst hat. Reden tun wir dann selten darüber, da schon manchmal das Empfinden von Scham beschämend ist .
Wir versuchen, das Gefühl wegzuschieben und besonders im Jugendalter so soweit es geht von uns fernzuhalten. ohne uns wirklich Gedanken darüber zu machen, warum wir uns gerade schämen und ob das Gefühl wirklich angebracht ist.
Ich möchte im folgenden Artikel darauf eingehen, was Scham überhaupt ist, wie sie sich auf uns auswirkt, und wie man sie einordnen kann und möchte dazu anregen, Scham nicht als keine negative Folge eines Fehltrittes abzustempeln, sondern ihr auf den Grund zu gehen und aus ihr zu lernen.

Ein Artikel von Lale (9d)

Was ist Scham und warum schämen wir uns?

Scham ist eine angeborene Fähigkeit, welche sich jedoch im Verlauf des Lebens entwickelt und erst dann auftritt, wenn wir zwischen uns selbst und anderen Menschen unterscheiden können, zudem braucht sie soziale Werte, Regeln und Normen, nach denen wir uns richten. Wenn wir gegen jene Werte und Regeln verstoßen, empfinden wir Scham. Das hat damit zu tun, dass, wenn wir gegen bestimmte Regeln unserer Gesellschaft verstoßen, wir unsere Grundbedürfnisse gefährden, nach deren Auslebung sich jeder Mensch sehnt. Zu den Grundbedürfnissen zählen Anerkennung, Schutz, Integrität und Zugehörigkeit.
Folglich ist Scham hauptsächlich ein Schutzmechanismus, welcher uns vor der Missachtung unseres sozialen Umfeldes und der Verstoßung aus unserer Gesellschaft schützen soll, was individuell davon abhängt, welchen Sozialen Regeln das Umfeld jeden Individuums folgt, und ist daher kultur-, milieu- und kontextabhängig.

Scham und Schuld

Scham ist eng verwoben mit dem Gefühl von Schuld, jedoch ist es wichtig, zwischen beiden
Empfindungen zu differenzieren, so spricht man auch von Scham- und Schuldkulturen.
Scham- und Schuldkulturen beschreiben Kulturen, welche im Umgang mit sozialem Fehlverhalten sich an Scham oder Schuld zur Konfliktregelung bedienen. Dabei gelten der Nahe und Ferne Osten als Schamkulturen und westliche Länder oft als Schuldkulturen.

In Schamkulturen wird auf die Sichtweise der Gemeinschaft auf das Individuum wertgelegt, daher dient das Empfinden von Scham, ausgelöst durch strickte, soziale Regeln oder religiöse Grundlagen, der Regulierung der einzelnen Personen, um eine gesellschaftliche Ordnung aufrecht zu erhalten. Dabei ist Scham meist eine Negative Bewertung des eigenen Selbst im Hinblick auf eine potentielle Situation, also die dauerhafte Angst, sein Gesicht zu verlieren.

In Schuldkulturen liegt der Fokus darauf, die individuellen Handlungen zu rechtfertigen und daraus zu lernen, um in Folge dessen eine gesellschaftlich auferlegte Schuld zu begleichen und so die eigenen Grundbedürfnisse zu schützen. Ein ähnliches Konzept findet man in der griechischen Mythologie wieder, in der die Sterblichen mit den Göttern um einen Gefallen feilschen. Wird ihnen dieser gewährt, stehen sie in der Schuld der Götter und müssen ihr Leben danach richten, ihre Schuld zu begleichen.

Wir selbst sind unsere größten Kritiker…

Unabhängig davon, in welcher Kultur wir leben, empfindet jeder Mensch (mit Ausnahme bestimmter Krankheiten) Scham und dies in ganz unterschiedlichem Maße. Dabei entscheiden wir intuitiv selbst, ob Scham in diesem Moment angebracht ist oder nicht. Wir richten uns dabei nach unseren Moralvorstellungen und sozialen Werten, sind jedoch selbst unser größter Kritiker. Allerdings richten wir uns in der Regel nur nach unserer eigenen Perspektive auf die Dinge, während ein Außenstehender eventuell gar keinen Grund für Scham sieht. Beispielsweise schämst du dich den ganzen Tag lang für einen Witz, über den niemand gelacht hat, und bedenkst nicht, dass die meisten ihn wahrscheinlich schon nach zwei Minuten wieder vergessen haben. Dann kann es sein, dass man anfängt, sich dauerhaft zu schämen, obwohl dies eigentlich gar nicht nötig wäre; das ist weder gesund noch hilfreich.
Man verliert die Fähigkeit, zwischen der Realität und dem eigenen Empfinden zu
differenzieren.

Keine Strafe sondern ein Signal

Man sollte sich schämen, wenn man das Gefühl hat, dass es der Situation entsprechend angebracht ist, und nicht, weil jemand entschieden hat, dass man es jetzt verdient hätte, sich zu schämen. Scham ist keine Strafe sondern ein Signal, dass man eine Grenze überschritten hat, und man sollte dies nicht wegschieben, sondern ergründen, was die Scham ausgelöst hat. Es gilt, eine Balance zwischen lehrreicher, ,,verdienter‘‘ Scham zu finden und jener, die einen zurückhält, über sich hinauszuwachsen, ohne Scham kann keine Veränderung des Verhaltens entstehen.

Leider ist, sich zu schämen, immer noch ein Tabuthema unserer Gesellschaft, da wir davon ausgehen selbst verantwortlich für sie zu sein. Das ist auch oft der Fall und richtig so, denn Scham macht uns sensibel gegenüber unseren Mitmenschen; wir wissen intuitiv, wann wir uns einen verletzenden Kommentar verkneifen sollten oder wann wir den Blick abwenden sollten. Scham ist unvermeidlich, deshalb bleibt uns nur übrig, sie zu akzeptieren und sich jedes Mal zu fragen, ob es gerade sinnvoll ist, sich zu schämen, oder ob man dies nur tut, weil man das Gefühl hat, es wird von einem erwartet. Wenn man das Gefühl hat, nicht richtig zwischen der Realität und dem eigenen Empfinden urteilen zu können, kann man immer noch seine Mitmenschen fragen, wie sie die entsprechende Situation empfunden haben. Ich bin der Überzeugung, dass, indem wir uns unserem Beschämnis stellen, wir sehr viel aus ihm schöpfen und so uns auferlegte gesellschaftliche Normen und moralischen Werten durchbrechen können.


Seaspiracy

Die Ozeane - sie machen 70% der Erdoberfläche aus, sind Zuhause der größten Artenvielvalt der Erde und Quelle von 85% des weltweiten Sauerstoffs, den wir zum Atmen brauchen. Doch diese Welt voll Schönheit, Leben und Farbe scheint von einer größeren Gefahr bedroht zu sein, als mir und vielen von euch wahrscheinlich bewusst war. Der auf Netflix erschienene US-amerikanische Dokumentarfilm „Seaspiracy“ behandelt die Auswirkungen der Fischereiindustrie im Hinblick auf den Klimawandel und der Verschmutzung der Weltmeere.

Eine Filmrezension von Lale (8d)

Schau dir hier den Trailer zum Film an!

Seaspiracy erschien 2021 und ist der zweite Teil einer Reihe, mit dem Vorgänger „Cowspiracy“, der Titel leitet sich von dem englischen Wort sea (Meer) und conspiracy (Verschwörung) ab.
Regisseur ist Ali Tabrizi. Er ist in der Dokumentation zu sehen und begleitet den Zuschauer durch den Film.

Aber erstmal auf Anfang – zu Beginn der Dokumentation werden schöne und friedvolle Aufnahmen von Gewässern und deren Artenvielfalt gezeigt. Parallel erzählt Ali Tabrizi, dass er schon als kleiner Junge eine Leidenschaft für die Mere und Ozeane besessen hatte: „Meine Liebe zum Ozean geht auf Dokumentarfilme von Jaques Cousteau, David Attenborough und Sylvia Earle zurück. Ihre Filme eröffneten mir eine ganz neue Welt. Ich träumte davon, wie sie, die Vielfalt unserer Weltmeere zu erforschen. Und die einzigartige Flora und Fauna unter den Wellen im Bild festzuhalten.“

Mit 22 begann er, seinen Traum zu verwirklichen, und arbeitete an einem eigenen Dokumentarfilm. Jedoch ändert sich Tabrizis romantische Sichtweise auf die Ozeane, je weiter er nachforschte.
Als immer öfter von gestrandeten Walen und Delphinen in den Medien die Rede war, sah Ali Tabrizi vieles in ganz anderem Licht; ihm wurde klar, wie sehr sich unser Leben auf die Weltmeere ausübt, da die Mägen dieser Tiere mit Plastik gefüllt sind.

 

Plastik im Meer

Von diesem Plastik wird minütlich eine LKW-Ladung in die Ozeane gekippt. Dort zersetzt es sich und wird zu winzigen Partikeln, welche sich Mikroplastik nennen. Mikroplastik übertrifft die Anzahl der Sterne in der Milchstraße um bereits das mindestens 500-Fache! Viele Menschen, wie auch Ali Tabrizi, machen sich Sorgen wegen der Strohhalme und des Plastikbestecks, das wir benutzen und das später möglicherweise im Meer landet. Doch rund 46% der gesammten Müllteppiche sind Fischernetze und Fanggeräte! Das Plastikgeschirr scheint also eher das kleinere Problem zu sein: „Es ist als würde man die Abholzung des Regenwaldes aufhalten wollen, indem man Zahnstocher boykottiert.“ schildert Tabrizi.
Ein anderer Grund für das Aussterben von Delphinen und Walen, ist die besonders in Ost-Asien verbreitete Industrie, die seit Jahren die Tiere, ohne es öffentlich zuzugeben, fängt und für viel Geld an Vergnügungsparks verkauft. Auch die milliardenschwere Thunfischindustrie hat ihren Anteil, die Delphine jagt und tötet, da Delphine den kostbaren Thunfisch wegfressen. Der Thunfisch ist ohnehin überfischt.

Thematisiert wird auch die Wichtigkeit der Schutzes der verschiedenen Hai-Arten. So berichtet Paul de Gelder (Hai Aktivist) : ,,Die Menschen sollten keine Angst haben, dass es Haie im Ozean gibt, sondern davor, dass es bald keine mehr gibt.“

 

Accidental Take

Erschütternd sind auch die internationalen Beifangquoten. In der Fischerei Branche spricht man vom „accidental take“ oder vom „versehentlichen Fang“. Beifang ist jedoch kein Versehen, sondern eine wirtschaftlich einkalkulierte Inkaufnahme. Als Beispiel wird eine isländische Fischerei genannt, welche in einem Monat 269 Schweinswale, 900 Robben sowie rund 5000 Seevögel mit einfing, was für nur eine kleine Fischerei eine schockierende Zahl ist.
Solche Fischereien werden mit bestimmten Siegeln von „Umweltorganisationen“ gekennzeichnet, welche den Fisch als nachhaltig gefangen auszeichnen und auf den Konsumenten irreführend wirken. Da auf hoher See ca. 4,6 Millionen gewerbliche Fischereifahrzeuge unterwegs sind, kann nicht effektiv kontrolliert werden, ob die von den Regierungen verfassten Vorschriften eingehalten werden.
Des Weiteren wird die Fischindustrie subventioniert. Subventionen sind Steuergelder, mit denen Unternehmen unterstützt werden, um beispielsweise den Preis von Produkten und Dienstleistungen so günstig wie möglich zu halten. In immer mehr Ländern geht somit mehr Geld an die Fischindustrie, als mit dem Verkauf von Fischen wieder eingeholt wird.
In gewisser Weise unterstützt jeder auch ungewollt die Fischindustrie über die Steuern. Da der eigentliche Grund für die Subvention die Senkung der Lebensmittelpreise darstellt, ist es umso ironischer, dass die EU, Fischerei an der west-afrikanischen Küste mit Steuergeldern finanziert, wodurch dort lokale Betriebe zurückdrängt werden. Für die lokalen Betriebe sind die Preise werden die Preise zu niedrig und sie können von dem Fischverkauf nicht mehr leben.

Thematisiert werden auch Vor- und Nachteile von Aquakulturen, insbesondere von der Lachs und Garnelenzucht. Sklaverei ist darüber hinaus eine der im Dunkeln liegenden Facetten der Fischindustrie, da viele günstige bzw. kostenlose Arbeitskräfte benötigt werden.

Für einige der letzten Szenen reiste Tabrizi auf die Färöer-Inseln, um bei einer angeblich traditionellen und nachhaltigen Waljagt dabei zu sein. Zu sehen sind bewegende und aufwühlende Bilder, jedoch scheint die Moral dahinter nicht ganz unberechtigt zu sein: Ich töte lieber einen Wal als 2000 Hühner, dass ist ungefähr die selbe Menge an Fleisch. Und so gesehen empfinde ich mich als besseren Menschen; besser als viele andere, die darüber nachdenken.“ erklärt Jens Mortan Rasmussen (Walfänger).

 

Darf ich heute noch Fisch essen?

Die Dokumentation hat mich aufgewühlt und mit Tränen in den Augen zurückgelassen.
Für mich war die Fischereiindustrie das eher weniger schlimme Equivalent zur Viehindustrie. Ich hatte wie viele von euch bestimmt auch, diese kindliche, durch die Medien suggerierte Vorstellung von einem älteren Mann mit Mütze und Pfeife, der jeden Tag auf sein kleines Fischerboot steigt und drei, vier Fische angelt und mit einem halbwegs guten Gewissen davon kommt.

Ich finde die Dokumentation sehr empfehlenswert. Abgesehen von den großartigen Aufnahmen und zahlreichen Informationen eröffnet der Film neue Perspektiven und wird wahrscheinlich die Sichtweise auf regelmäßigen Fischkonsum von vielen von euch verändern.

Allerdings malt die Dokumentation auch ein sehr düsteres Bild und bringt die dunkelsten Seiten der Fischindustrie an die Oberfläche. Zudem wird man als Zuschauer regelrecht mit Informationen bombardiert, von denen eine schlimmer ist als die andere. Die Dokumentation soll aufrütteln und dabei werden ohne Zweifel einige Aussagen überspitzt und überdramatisiert.
Als allumfassende Lösung wird empfohlen, einfach keinen Fisch mehr zu essen, auch wenn diese Aussage vielleicht schmerzt ist trotzdem viel Wahres an ihr dran und auch ich möchte jeden motivieren, von nun an etwas weniger Fisch zu essen. Jedoch kann sich auch nicht jeder entscheiden, ob er Fisch essen oder doch lieber vegan leben will, da Fisch und Meerestiere den Proteinbedarf von rund drei Milliarden Menschen decken und das Einkommen von rund 800 Millionen Menschen sichert, besonders in Entwicklungsländern.

Ich würde dem Film vier von fünf Sternen geben, da er hochwertig produziert ist und wichtige Kernaussagen beinhaltet, trotzdem sollte jeder für sich entscheiden, ob er mit den gezeigten Bildern umgehen kann, sich aber auch mal an die eigene Nase fassen, denn wir müssen uns von dieser kindlichen Vorstellung lösen. Veränderung wird kommen, ob wir es wollen oder nicht.